Der Materna Blog – wissen was los ist

OZG-Entwicklung: Mann arbeitet am Laptop

Quo Vadis Onlinezugangsgesetz (OZG)?

Bei der Verwaltungsdigitalisierung steigt der zeitliche Druck. Die Frist des Onlinezugangsgesetzes (OZG) rückt mit Ende 2022 in greifbare Nähe. Trotz aller Fortschritte zieht sich die Umsetzung hin. Wo stehen wir also im OZG Marathonlauf?

Langwierige Abstimmungen, fehlende Standards, zu wenig föderativ übergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit bremsen den Umsetzungsprozess. Vor allem die kommunale Ebene, die in der Verwaltungswirklichkeit zwei Drittel der Bürger und Bürgerinnen-Kontakte trägt, scheint abgehängt zu sein. Nicht so sehr aus eigenen Versäumnissen, sondern vielmehr aufgrund fehlender Finanzierung, Integration und echter Beteiligung am großen Bebauungsplan OZG bzw. einer wirklich durchgängigen Verwaltungsdigitalisierung. Denn: OZG zu Ende gedacht, ist nichts anderes als der notwendige gesetzliche Treiber zur digitalen Transformation der Verwaltung.

Diese Einschätzung unterfüttern aktuelle Umfragen innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Die folgenden Zahlen aus Studie von Hertie School und PD vom 06.09.2021 und andere vergleichbare Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Dem Onlinezugangsgesetz stellen die Befragten ein gemischtes Urteil aus. Grundsätzlich stimmen 57 Prozent der Aussage zu, das OZG schaffe einen Nutzen für Bürger und Bürgerinnen. Zumindest 43 Prozent sehen es als geeigneten gesetzlichen Rahmen, um die Verwaltungsdigitalisierung voranzutreiben. Einen schwereren Stand dagegen hat es beim Nutzen für die Verwaltung selbst: nur 38 Prozent sehen das OZG hier als hilfreich an. Auffällig dabei ist, dass den Befragten die Ziele der Verwaltungsdigitalisierung – Effizienz, Servicequalität und Schnelligkeit – wichtiger sind, als nur das OZG zu erfüllen. Selbst an die fristgerechte Umsetzung der „nur“ 575 vereinbarten OZG-Leistungen glauben 50 Prozent nicht. Die tatsächliche Zahl der eigentlich zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen ist ja in der G2C-Realität deutlich höher.

Konsens in der Fachwelt ist: Schaut man auf das gesamte Bild der föderalen Verwaltung in Verbindung mit der OZG-Umsetzung bleibt noch sehr viel zu tun. Um einen sportlichen Vergleich zu bemühen, drängt sich einem das naheliegende Bild eines Marathonlaufs auf. Die Läufer und Läuferinnen haben Stand heute die erste – sagen wir mal – zehn Kilometer Etappe gemeistert und werden vielleicht bis Ende 2022 die halbe Strecke geschafft haben.

Und selbst, wenn die Hälfte der Strecke (oder auch ein paar Kilometer mehr) bis Ende 2022 erfolgreich gemeistert sein sollte, ist die Verwaltungsdigitalisierung auch mit einem (halbwegs) fertig umgesetzten OZG noch lange nicht geschafft. Letztendlich wird heute viel über das Z im OZG gesprochen: der ZUGANG, sprich das Frontend bzw. die Nutzerschnittstelle für die zur Verfügungstellung von Verwaltungsdienstleistungen.

Aber nach der 20 Kilometer Marke geht es bzw. muss es mit der OZG-Umsetzung weiter gehen. Weitere Mammutprojekte wie die Registermodernisierung, die Integration in Fachverfahren, in die E-Akte, eine durchgängige Prozessdigitalisierungen usw. warten bereits. Der (OZG) Marathonlauf ist erst erfolgreich absolviert, wenn am Ende die Vision eines one oder sogar non stop government agency Prozesses umgesetzt ist. Ein häufig bemühtes Beispiel für eine solche antragslose, vielleicht sogar proaktive, aber auf jeden Fall automatisierte Bescheidabwicklung in einem vollständig Ende zu Ende digitalisierten (OZG) Prozess ist die Geburt eines Kindes: Anmeldung des neuen Erdenbürgers im Register, danach automatisches „durchrouten“ der weiteren Prozesse nach dem once only Prinzip wie Auszahlung Kindergeld bis hin zur „Vormerkung“ eines Kindergartenplatzes. Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen? Wohl eher nicht. Andere europäische Länder haben solche digitalen Verwaltungsprozessketten bereits erfolgreich umgesetzt.

Ein durchgängig digitalisierter Bearbeitungsprozess erfordert dabei sichere und eindeutige Daten aus Registern. Nicht nur gemäß dem once only Prinzip, was die einmalige Hinterlegung der unveränderlichen Personenstammdaten (zum Beispiel verankert an und mit der SteuerID) angeht, sondern hier müssen wir auf Dauer „größer“ denken: auch als (fachliches) DATA once only für die weiteren Verarbeitungsschritte. Ziel ist das elektronische Suchen nach relevanten Einträgen bis hin zum automatischen Anstoßen des Datenbezugs – entweder durch das entsprechende Fachverfahren oder angestoßen durch den Antragsprozess.

Bisher sind die für einen Verwaltungsakt notwendigen Daten häufig in verschiedenen Fachsystemen, in lokalen Excel-Tabellen oder sogar nur papierbezogen hinterlegt, müssen häufig mehrfach eingegeben werden, sind nur manuell recherchierbar oder lückenhaft. So entstehen Fehler, Mehrarbeit, Zeitverluste und Medienbrüche.

Die Registermodernisierung in Kombination mit einer OZG Umsetzung greift hier massiv ein: (Data) Once-Only verlangt, Daten von hoher Qualität durchgängig für und an jeder Stelle des Prozesses zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, das eine konkrete Abfrage dann auch in anderen Antragsverfahren zu nutzen ist und verwaltungsintern keine erneute Abfrage oder Eingabe geleistet werden muss.

Liegt diese Bereitstellungsaufgabe bei der Antragstellenden oder bei der Behörde? Letzteres erfordert ein behördenübergreifendes „Schon bereitgestelltes“-Flag, ersteres eine Art Datensafe.

Die Klärung solcher fachlichen Zusammenhänge ist noch wichtiger, als nur über technische Realisierungsmöglichkeiten zu sprechen. IT-technisch ist heute bereits vieles möglich.

Hier wird vielmehr fachliche digitale Kompetenz vonnöten sein, die nur zusammen mit dem Prozesswissen aus den Behörden und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen selbst die entsprechende Qualität und Wirkung entfalten kann. Und diese „neue Prozessdenke“ muss dann horizontal und vertikal verwaltungsübergreifend sein.

Ein guter Ansatz ist, verwaltungserfahren Ende-zu-Ende zu denken, also den Nutzen des Verfahrens aus Sicht derer, die ihn brauchen, zu verstehen – die sogenannte Customer Journey. Um die digitale Beurteilungskompetenz und die Akzeptanz in der Verwaltung zu steigern, muss aber auch eine Customer Journey für die Verwaltungsmitarbeiter:innen selbst auf den Weg gebracht werden. Nur so lässt sich die digitale Rendite für die Verwaltung erfolgreich heben.

Quo vadis OZG also? Die Antwort liegt – finde ich – auf der Hand.

Erstens: Die Digitalisierung des „Z“ alleine reicht nicht. Eine umfassende OZG-Umsetzung in Verbindung mit der Registermodernisierung ist der Treiber zu einer echten verwaltungsinternen Digitalisierung, die weit über den reinen Online-Zugang bzw. das Bereitstellen eines Frontend hinausgeht, sondern vielmehr in einer weiteren Ausbaustufe die Integration in das Backend bzw. in die Fachverfahren, das Datenmanagement und die Prozessabläufe angehen muss.

Und damit steht zweitens fest: eine nachhaltige OZG-Umsetzung kann und wird nicht mit der Gesetzesfrist in 2022 enden, sondern wird auch die künftige Bundesregierung in ihrer politischen Digitalagenda für eine moderne Verwaltung noch intensiv begleiten. Ein künftiger OZG-Reifegrad 6 mit dem Schwerpunkt Digitalisierung der verwaltungsinternen Abläufe muss dafür verabschiedet und mit einer entsprechenden föderalen Finanzierung ausgestattet werden.

Anlass zur Hoffnung gibt, dass alle für die neue Bundesregierung ernsthaft in Frage kommenden Parteien in ihren Wahlprogrammen in abgewandelter Form davon sprechen, dass es mit der Digitalisierung der Verwaltung, der Weiterentwicklung von OZG hin zu antragslosen, automatisierten Services, dem einfachen Online-Zugang von Bürger, Bürgerinnen und Unternehmen auch in der nächsten Legislaturperiode weiter gehen muss.

Hoffen wir für die Verwaltung und uns als Bürgerinnen und Bürger, dass Papier nicht nur geduldig ist oder dass der neuen Bundesregierung auf dem (OZG) Marathon dann nicht vorzeitig die Puste ausgeht.

Schlagwörter: Onlinezugangsgesetz, OZG

Autoreninfo

Johannes Rosenboom ist Senior Vice President Sales, Marketing und Business Development im Ressort Public Sector bei Materna. Rosenboom ist Verwaltungswissenschaftler und beschäftigt sich mit Fragen der Digitalisierung und Organisation der öffentlichen Verwaltung.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Sehr geehrter Herr Rosenboom,
    mit Vergnügen habe ich Ihren Beitrag zur Umsetzung des OZG gelesen. Vor allem hat mir die Passage zur Geburt eines Kindes gefallen. “Ein häufig bemühtes Beispiel für eine solche antragslose, vielleicht sogar proaktive, aber auf jeden Fall automatisierte Bescheidabwicklung in einem vollständig Ende zu Ende digitalisierten (OZG) Prozess ist die Geburt eines Kindes…” Tatsächlich geschieht die Geburt eines Kindes stets antragslos und meist prokativ, wie ich mehrfach selbst beobachten durfte. 😉 Insofern behaupte ich, dass das auch in Deutschland schon gängige Praxis ist, ohne dass es in diesem Bereich der Umsetzung des OZG bedarf.
    Viele Grüße
    Rolf Fischer

    Sehr geehrter Herr Fischer,
    vielen Dank für Ihren Kommentar.
    Und ja, in der Tat, werden Kinder – zum GLÜCK – antragslos, proaktiv, meistens gewollt, manchmal ungewollt, unverhofft, herbeigesehnt usw. gezeugt und geborgen und das i.d.R. rein natürlich Ende-zu-Ende. Da sollte sich Vater Staat und erst recht die Digitalisierung raushalten ;). Bei allen weiteren Schritten der anschließenden “Verwaltung eines neuen Erdenbürgers/in” wäre dann etwas mehr Digitales schon wünschenswert, sowohl für die Eltern als auch für die Verwaltung selbst.
    Viele Grüße,
    Johannes Rosenboom
    (selbst Vater)

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.

Self-Services – Kundenservice an der SB-Theke
Service Excellence – Wenn der Kunde zweimal klingelt